Reflexe sind nicht willentlich gesteuerte (unwillkürliche) Reaktionen des Körpers durch das Zentralnervensystem auf einen Reiz. Es gibt einen definierten Auslöser und eine definierte Antwort des Körpers.
Über das Vorhandensein bzw. Abwesenheit oder teilweise Abwesenheit der Reflexe kann man den Funktionszustand des peripheren und zentralen Nervensystems einschätzen. Auch die Intensität der Reaktion spiele dabei eine Rolle. Sehr viele Reflexe sind Schutzreflexe, die lebenslänglich funktionieren sollten. Beispiele sind Lidschlussreflex, Partellasehnenreflex und Hustenreflex.
Die Natur stattet uns mit einem biologischen Reflexprogramm perfekt aus: Schon in im Mutterleib beginnen sich z.B. der Mororeflex, Handgreifreflex, Saugreflex auszubilden. Der Embryo/Fötus wäre von sich aus noch nicht in der Lage, willentlich Bewegungen auszuführen. Dazu muss das Nervensystem erst weiter ausreifen. Aber über die reflektorischen Bewegungen kann das Baby schon ein unbewusstes Bewegungstraining beginnen.
Diese für Babys typischen Bewegungen helfen das Zentralnervensystem auszubilden. Sie bahnen gleichzeitig die Hemmung eines primitiven Reflexes (der überwunden werden soll) an und fördern ebenso die Entwicklung durch die Auslösung von posturalen Reaktionen, z.B. zu Haltungskontrolle. Diese Reaktionen sollen dann lebenslang erhalten bleiben.
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Primitive Reflexe, (auch als frühkindliche Reflexe bezeichnet), wie z.B. Mororeflex oder Tonischer Labyrinthreflex bilden sich in den ersten Lebenswochen im Mutterleib aus. Zur Ausreifung benötigen sie i.d.R. die vollen 40 Schwangerschaftswochen. Sie sollen bis zur Geburt ausgereift sein, vermutlich den Geburtsvorgang aktiv unterstützen und nachgeburtlich für das Überleben des Säuglings sorgen.
Diese Reflexe werden durch posturale Reaktionen und höhere Gehirnfunktionen in den ersten Lebensmonaten gehemmt.
Posturale Reaktionen, wie die Kopfkontrolle, entstehen erst nach der Geburt, vorwiegend im 1. Lebensjahr. Sie sollen bis zum 3. Lebensjahr ausgereift sein und sich mit allen anderen relevanten Systemen (z.-B. Gleichgewichtssystem) eingespielt haben.
Sie bilden unsere Grundlage für Aufrichtung und Gleichgewichtskontrolle (Fallschutz), Haltungskontrolle, Stellung der Gelenke und Bewegungskoordination, besonders in Bezug auf die Schwerkraft (z.B. Gehen).
Posturale Reaktionen sollen ein Leben lang erhalten bleiben, damit wir jederzeit, den Umständen entsprechend, auf unsere individuelle Art geschickt handeln können.
Diese Reflexe sind physiologischer Natur. Sie sollen also zu einer bestimmten Entwicklungsphase des Kindes vorhanden sein.
Einige dieser Reflexe sollen nach dem ersten Lebensjahr gehemmt sein, da dann komplexere Handlungen möglich sein sollen.
Furcht-Lähmungsreflex/Startle-Reaktion
Diese vorgeburtlich einsetzende Reaktion ist eine Art Erschrecken. Dabei zieht sich der gesamte Körper zusammen und vom Stimulus zurück. Das Nervensystem reagiert mit Stressmustern z.B. erhöhte Herzfrequenz. Vermutlich kann sich der Fötus damit vor Verletzungen im Mutterbauch schützen.
Im Bezug zu Stress- und Polyvagaltheorie wäre hier die Starre/Freeze-Zustand des Vagusnerves zuzuordnen.
Palmar-Reflex, Hangreifreflex
An diesem Reflex kann man, bei der Beobachtung eines Babys, eindrucksvoll erleben, dass Reflexe nicht willentlich gesteuert werden können.
Auch im Schlaf greifen die Hände des Babys zu.
Babinski-Reflex
Durch eine Berührung des Fußes, genauer einem Streichen am Rand der Fußsohle hebt das Baby den Großzeh und fächert die Zehen zur Seite auf. (im Foto rechts)
Wenn dieser Reflex fortbesteht, kann es sein, dass Schuhe über der Großzehe ein Loch bekommen!
Plantar-Reflex, Fußgreifreflex
Eine Berührung des Fußsohle löst eine Greifreaktion der Zehen aus. Diese Reaktion zeichnet einen noch "unreifen" Fuß aus.
Dieser Reflex zeigt, dass der Fuß noch nicht ganz bereit ist zu laufen.
Kinderfüße müssen noch sehr viele Informationen des Bodens (Beschaffenheit, Temperaturen, Formen, Chemie, Schwerkraft) aufnehmen. Daher ist barfußlaufen sehr gut. Schuhe sollten demnach eine möglichst weiche Sohle haben und - wie alle Kinderschuhe - keinen Absatz. (Sehr viele Schuhhersteller schneidern leider mit Absatz).
Tonischer Labyrinthrefex TLR - Beugehaltung
Die Senkung des Kopfes initiiert eine Herabsetzung der Muskelspannung auf der Körpervorderseite. Hierdurch entsteht eine Beugung des ganzen Körpers.
So nimmt das Baby im Mutterbauch die "Fötale Beugehaltung" ein.
Tonischer Labyrinth-Reflex TLR - Streckung
Durch die Neigung des Kopfes nach hinten wird eine Streckung/Tonussteigerung des ganzen Körpers erreicht.
Asymetrisch tonischer Nackenreflex ATNR
Durch die Drehung des Kopfes strecken sich Arm und Bein auf der Körperseite zu der sich der Kopf hinwendet. Auf der anderen Körperhälfte werden Arm und Bein gebeugt.
Diese Haltung nennt man auch "Fechterstellung", da sie dieser ähnelt.
Spinaler Galant-Reflex
Berührung am Rücken, vor allem ein Streichen parallel zur Wirbelsäule in Richtung Becken des Kindes bewirken eine Krümmung des Oberkörpers zur Seite. Mit dieser Schlängelbewegung hilft das Baby bei der Austrittsphase bei der Geburt aktiv mit.
Suchreflex
Durch einen taktilen Reiz (Berührung) an der Wange oder der Mundregion öffnet der Säugling den Mund und führt suchende Bewegungen mit dem Kopf aus um saugen zu können.
Saugreflex
Durch die Berührung der Mundregion beginnt der Säugling zu saugen. Dabei entsteht eine speziefische Bewegung mit der Zunge um die Milch aus der Brust auszustreichen. Es können gleichzeitige Handbewegungen sichtbar sein.
Schreit- und Placing-Reflex
Wenn man ein Neugeborenes aufrecht hält, sodass seine Füße eine Unterlage berühren, zeigt es Bewegungen, die dem Laufen ähneln. Dieser Reflex wird standardmäßig vom Kinderarzt getestet. Laufen kann das Baby damit noch nicht.
Der Placing-Reflex ist sehr ähnlich und wird als Heben des Beins über eine Kante beschrieben. Er wird auch Steigreflex genannt.
Kopfstellreflexe
Der Kopf ist eine wichtige „Schaltzentrale“ im Körper. Der Reflex bewirkt die Aufrichtung des Kopfes in die Senkrechte unabhängig von der Körperstellung. Dadurch werden die Augen immer waagrecht ausgerichtet, auch wenn sich das Kind zur Seite neigt.
Eine starke und gleichzeitig entspannte Hals-Nacken- und Rumpfmuskulatur sind für diese mühelose Steuerung notwendig.
Augenstellreflex
Um den Blick stabil auf etwas fokussieren zu können, obwohl sich der Kopf bewegt – das ist durch diesen Reflex gewährleistet. Die Augen bewegen sich kompensatorisch entgegen der Bewegungsrichtung des Kopfes. Der Blick bleibt stabil auf das Bild gerichtet. Dies wird auch Puppenkopfphänomen genannt.
Symetrisch tonischer Nackenreflex STNR
Das Senken des Kopfes löst die Beugung der Arme und die Streckung der Beine aus. Das kann ganz neue Blickwinkel eröffnen!
(siehe Foto oben)
Auch die genau gegenteiligen Bewegungsreaktionen gehören zum STNR - also löst die Bewegung des Kopfes nach oben (Kopf in den Nacken legen) findet bei dem reiferen Baby eine Beugung der Beine und eine Streckung der Arme statt.
Landaureflex
Das Baby streckt Arme und Beine und baut Spannung auf der Körperrückseite auf, wenn es am Bauch gehalten wird. Das kann es frühestens mit 3 Monaten. Eine gute Kopfkontrolle und Längung der Körpervorderseite sind notwendige Voraussetzungen.
Segmentärer Rollreflex
Diese Stellreaktion des Körpers kommt durch eine Veränderung der Lage des Körpers zum Kopf stattfindet.
Ein Rollen über die Seite aus der Bauch- oder Rückenlage kann über die Rotation des Beckens oder des Schultergürtels erfolgen. Das Baby benötigt dazu eine freie Beweglichkeit und Stabilität von Rumpf und Kopf.
Auf der Seite feldenkrais.de finden Sie ein sehr anschauliches Video dazu.
Parachutereflex
Wenn das Baby mit ca. 6 Monaten mit dem Oberkörper Richtung Boden geneigt wird, findet eine unwillkürliche Abstützreaktion mit den Armen statt. Dazu sollte der Handgreifreflex bereits überwunden sein, damit sich die geöffneten Hände an der Schutzreaktion beteiligen können.
Amphibienreflex
Bei dem 4-6 Monate alten Kind löst das Anheben des Beckens (durch das Kind selbst aber auch durch Fremdeinwirkung) eine Beugung von Armgelenken, Knie und der Hüfte auf dieser Körperseite aus. Die Kopfstellung ist hier nicht relevant, also unabhängig.
Ein Baby das schon Erfahrung im Robben hat, zeigt uns dies sehr schön.
Auf dem Bild sieht man den Reflex nicht genau.
Glabellareflex
Die Glabella ist der Bereich zwischen den Augen, der auch als "3. Auge" bekannt ist.
Wenn man bei dem Baby sanften Druck darauf ausübt oder streichende Bewegungen nach unten ausführt, schließen sich die Augen des Kindes.
Abdominal-Reflex
Wenn man neben/oberhalb/unterhalb des Bauchnabels über den Bauch streicht, bewegt sich der Nabel kurzzeitig in die Richtung des Reizes.
Atemschutzreflex
Wenn das Gesicht des Babys (die äußeren Atemwege) mit Wasser benetzt werden setzt die Atmung aus, sodass ein Ertrinken des Babys verhindert wird.
Achtung:
Babys können aufgrund der Körperproportionen und der Fähigkeiten noch nicht schwimmen und nicht auftauchen!
Eine Fortbewegung unter Wasser kann jedoch gelernt werden.
Dieser Reflex wird auch Tauchreflex genannt.
Labyrinthstellreflex
Der Reflex bewirkt die Aufrichtung des Kopfes in die Senkrechte unabhängig von der Körperstellung. Dadurch werden die Ohren immer waagrecht ausgerichtet, auch wenn sich das Kind zur Seite neigt.